„Lieber Gott, mach mich fromm, daß
ich in den Himmel komm'.“
Dieses von Kindern häufig verwendete
Gebet ist sowohl religionspädagogisch als auch dogmatisch als
schwierig einzustufen. Ich warne an dieser Stelle davor, daß dieses
Gebet weiterhin vor dem Schlaf gesprochen wird, weil es die
Vorstellung Gottes und der Religion
völlig falsch interpretiert.
Die Anrede 'Lieber Gott' ist didaktisch
eine Unmöglichkeit. Impliziert sie doch dem Beter einen Gott, der
zwar 'lieb' ist, jedoch nicht Freund oder Bruder, sondern wirklich
ein 'Gott' ist. Dies festigt die Vorstellung bei dem Beter, daß Gott
ein anderer ist, als der Freund in der Kindertagesstätte. Zu
empfehlen wäre hier Gott durch den Menschen Jesus zu ersetzen (will man weiterhin mit christlichen Begriffen operieren), weil
sich das betende Kind darunter besser etwas vorstellen kann und einen
näheren Bezug bekommt.
'Mach mich fromm' enthält gleich drei
gefährliche Denkweisen, die heute in der Theologie so nicht mehr
tragbar sind. 'Machen' bedeutet für den Beter, daß der
Angesprochene wirklich etwas tun, etwas verändern kann. Dies bezieht
das Gebet jedoch nur auf 'mich'. Diese Egozentrik ist jedoch, weil
nicht gemeinschaftsdienlich, abzulehnen. Da Gott nicht wirklich in
die Welt eingreift (s. Auschwitz) darf dem kindlichen Beter nicht
suggeriert werden, daß er etwas verändern könnte. Seine Wirkung
erweist 'Gott' nämlich nur in der Beziehung zu dem Anderen, zu einem
DU. Daher ist die Wendung 'mach mich' höchst problematisch, weil das
Gebet wirklich nur auf einen Einzelnen abzielt. 'Fromm' ist aufgrund
des religionsgeschichtlichen Wandels direkt zu ersetzen. Mit 'fromm'
wird generell eine vorkonziliare Haltung beschrieben, die als
überholt gilt. 'Fromme' Menschen sind nämlich zu sehr auf ihre
spezielle und eigene Religion fixiert und schauen weder nach rechts
oder links zu ihren Religionsbrüdern, wie den Buddhisten oder
Muslimen. Hier muß dem Kind deutlich gemacht werden, daß es nur
etwas Höheres gibt und man sich damit spirituell-esoterisch
auseinanderzusetzen hat.
'Daß ich in den Himmel komm', lautet
der Schluß dieses Gebets. Bei dem Wort 'Ich' zeigt sich gleiche
egozentrische Problematik wie bei dem Wort 'mich'.
Problematisch ist das Wort 'Himmel', da es suggeriert, daß der
Mensch durch seine 'fromme' von 'Gott gemachte' Haltung zu einem
anderen Ort gelangen könnte. Dass dies nicht der Fall ist (s. das
problematische und einseitig benutzte Wort 'Gott') zeigt sich bei den
Glaubensbrüdern, die keinen persönlichen Gott haben. Hier geht man
also von einer Exklusivität aus, daß nur a) 'ich', b) durch 'Gott
und c) in den 'Himmel' komme.
Es lässt sich bei diesem Gebet
deutlich die Gefahr erkennen, daß der Beter einen egozentrischen
Exklusivstatus seines Gottes und seines Gebets ansieht. Daher ist es
von der Religionsdidaktik zu überarbeiten. Ein Vorschlag könnte
lauten:
„Unser lieber, guter Freund aller
Menschen und Bruder Jesus, sei so gut und bestärke unser
spirituelles Gefühl, damit wir irgendwann vielleicht an einen
anderen Ort kommen, wo wir uns alle ganz doll lieb haben.“