Dienstag, 24. April 2012

Analyse eines Kindergebets


„Lieber Gott, mach mich fromm, daß ich in den Himmel komm'.“

Dieses von Kindern häufig verwendete Gebet ist sowohl religionspädagogisch als auch dogmatisch als schwierig einzustufen. Ich warne an dieser Stelle davor, daß dieses Gebet weiterhin vor dem Schlaf gesprochen wird, weil es die Vorstellung Gottes und der Religion völlig falsch interpretiert.

Die Anrede 'Lieber Gott' ist didaktisch eine Unmöglichkeit. Impliziert sie doch dem Beter einen Gott, der zwar 'lieb' ist, jedoch nicht Freund oder Bruder, sondern wirklich ein 'Gott' ist. Dies festigt die Vorstellung bei dem Beter, daß Gott ein anderer ist, als der Freund in der Kindertagesstätte. Zu empfehlen wäre hier Gott durch den Menschen Jesus zu ersetzen (will man weiterhin mit christlichen Begriffen operieren), weil sich das betende Kind darunter besser etwas vorstellen kann und einen näheren Bezug bekommt.

'Mach mich fromm' enthält gleich drei gefährliche Denkweisen, die heute in der Theologie so nicht mehr tragbar sind. 'Machen' bedeutet für den Beter, daß der Angesprochene wirklich etwas tun, etwas verändern kann. Dies bezieht das Gebet jedoch nur auf 'mich'. Diese Egozentrik ist jedoch, weil nicht gemeinschaftsdienlich, abzulehnen. Da Gott nicht wirklich in die Welt eingreift (s. Auschwitz) darf dem kindlichen Beter nicht suggeriert werden, daß er etwas verändern könnte. Seine Wirkung erweist 'Gott' nämlich nur in der Beziehung zu dem Anderen, zu einem DU. Daher ist die Wendung 'mach mich' höchst problematisch, weil das Gebet wirklich nur auf einen Einzelnen abzielt. 'Fromm' ist aufgrund des religionsgeschichtlichen Wandels direkt zu ersetzen. Mit 'fromm' wird generell eine vorkonziliare Haltung beschrieben, die als überholt gilt. 'Fromme' Menschen sind nämlich zu sehr auf ihre spezielle und eigene Religion fixiert und schauen weder nach rechts oder links zu ihren Religionsbrüdern, wie den Buddhisten oder Muslimen. Hier muß dem Kind deutlich gemacht werden, daß es nur etwas Höheres gibt und man sich damit spirituell-esoterisch auseinanderzusetzen hat.

'Daß ich in den Himmel komm', lautet der Schluß dieses Gebets. Bei dem Wort 'Ich' zeigt sich gleiche egozentrische Problematik wie bei dem Wort 'mich'. Problematisch ist das Wort 'Himmel', da es suggeriert, daß der Mensch durch seine 'fromme' von 'Gott gemachte' Haltung zu einem anderen Ort gelangen könnte. Dass dies nicht der Fall ist (s. das problematische und einseitig benutzte Wort 'Gott') zeigt sich bei den Glaubensbrüdern, die keinen persönlichen Gott haben. Hier geht man also von einer Exklusivität aus, daß nur a) 'ich', b) durch 'Gott und c) in den 'Himmel' komme.

Es lässt sich bei diesem Gebet deutlich die Gefahr erkennen, daß der Beter einen egozentrischen Exklusivstatus seines Gottes und seines Gebets ansieht. Daher ist es von der Religionsdidaktik zu überarbeiten. Ein Vorschlag könnte lauten:

„Unser lieber, guter Freund aller Menschen und Bruder Jesus, sei so gut und bestärke unser spirituelles Gefühl, damit wir irgendwann vielleicht an einen anderen Ort kommen, wo wir uns alle ganz doll lieb haben.“

5 Kommentare:

  1. Das macht Angst... Hat hier etwa jemand ernsthaft in einer Vorlesung der Fundamemtaltheologie mitgeschrieben? o.O

    :P

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  2. Klasse, super Text! Der Vorschlag für den neuen Text könnte es glatt in ein "Gebet"buch des BDJK schaffen...
    Beste Grüße vom MannmitBrilleundBart www.waldgaenger2012.blogspot.de

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  3. Bravo! Leider ist es der Relität gar nicht so fern.

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  4. Beim Lesen des ersten Absatzes bin ich wirklich erschrocken....!

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